Jahresbericht des Frauennotrufs Koblenz 2018

Bild
Logo des Frauennotrufs Koblenz
14. März 2019

Die gesellschaftliche Wahrnehmung sexualisierter Gewalt hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Mit steigender Sensibilität in der Öffentlichkeit nehmen die Anfragen an spezialisierter Fachberatung zu.

 

Wir verzeichnen auch in 2018 einen hohen Bedarf an Beratung und Prävention.
Wir haben 1.021 Beratungsgespräche und Onlineberatungen durchgeführt. Insgesamt haben 415 Menschen (selbstbetroffene Mädchen und Frauen, deren Angehörige oder nahestehende Bezugspersonen und Fachkräfte aus anderen Einrichtungen) unsere Beratungsangebote in Anspruch genommen.
In 21 Veranstaltungen haben wir 723 Menschen in Selbstbehauptung und Selbstverteidigung geschult, in Fachvorträgen informiert und in Fortbildungen weitergebildet.
Besonders bei Fachkräften verzeichneten wir einen Anstieg sowohl beim Beratungs- bzw. Supervisionsbedarf bei akuten Fällen, in denen Mädchen und Frauen direkt von sexualisierter Gewalt betroffen waren, als auch im Bereich der Prävention.

Die finanzielle Förderung unserer Fachberatungsstelle stagniert.  Wir arbeiten immer verdichteter mit unsicheren Perspektiven. Jährliche Antragstellungen schaffen jedes Jahr neue Unsicherheit, ob es überhaupt weitergeht – für Beschäftigte, für Betroffene und für die (Fach-) Öffentlichkeit.

Wir sind zwar sehr erfolgreich bei der Akquise von Eigenmitteln und Spenden, um die erheblichen finanziellen Lücken zu füllen. Und immer wieder initiieren wir neue Projekte, um wichtige Arbeitsbereiche aufbauen zu können, in den nächsten 3 Jahren beispielsweise die Angebote für Mädchen und Frauen mit Behinderungen. Das sind aber befristete Fördermittel. Zudem ist diese Finanzierungsarbeit aufwändig und die Einnahmen sind im Sinne einer langfristigen Planungssicherheit nicht vorhersehbar.  Regelangebote der Fachberatungsstellen sowie die Fortführung erfolgreicher Projekte müssen deshalb durch die öffentliche Hand abgedeckt werden.

Ein Leben frei von Gewalt ist ein Menschenrecht. Den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, präventive Maßnahmen und den niedrigschwelligen und flächendeckenden Zugang zu Beratung und Hilfe fordert auch die Istanbul-Konvention, die seit Februar 2018 in Deutschland geltendes Recht ist. Dazu braucht es jetzt ein starkes und verlässliches finanzielles Engagement von Bund, Ländern und Kommunen.
Unser Bundesverband hat einen Schlüssel zur Mindestausstattung von Fachberatungsstellen erarbeitet.

Hinter dieser Mindestausstattung liegen wir noch weit zurück. Diese Personalressourcen sind aber notwendig, damit wir unsere vielfältigen Aufgaben erfüllen können. Die bisherigen Fördermittel müssen dringend angepasst werden.

Neben der gesellschaftlichen Aufgabe, sich für die Verwirklichung von Gleichberechtigung und damit für ein Leben frei von geschlechtsspezifischer Gewalt einzusetzen (Art.3 GG) und neben der bestehenden Verpflichtung durch die Istanbul-Konvention, gibt es auch noch einen anderen Grund, der uns alle ganz persönlich betrifft.

„Etwa jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens sexuelle und/oder körperliche Gewalt. Das heißt im Umkehrschluss: Nicht jede Frau ist betroffen, aber Jede und Jeder hat mit Frauen zu tun, die geschlechtsspezifische Gewalt erleben oder erlebt haben. Die Auswirkungen dieser Gewalt tragen wir alle. Sozialer Rückzug, Depressionen, Angstzustände, Arbeitsausfall, Aggressionen, selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen – die Liste der möglichen Folgen ist lang.“ (bff) Fast alle Mädchen und Frauen, die sich an unsere Beratungsstelle wenden, befinden sich in einer schweren psychischen Krise, viele haben mit teilweise massiven Ängsten zu kämpfen. Die meisten Mädchen und Frauen sind akut traumatisiert oder retraumatisiert. „Darunter leiden zuallererst die Betroffenen, aber auch Freund*innen, Partner*innen, die Familie und Arbeitskolleg*innen tragen die Belastung mit, oft ohne zu wissen, wo die Beschwerden eigentlich herkommen. Jeder und Jede von uns profitiert deshalb davon, wenn geschlechtsspezifische Gewalt bekämpft wird und wenn wir uns darauf verlassen können, dass die, die es brauchen, Hilfe bekommen.“ (bff)