
Eine umfassende Erstbehandlung nach Gewalt muss sichergestellt sein.
Eine umfassende Erstbehandlung insbesondere nach sexualisierter Gewalt muss sichergestellt sein. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) veröffentlicht Forderungen an die Politik und startet Social-Media Aktion mit Erfahrungen von Betroffenen.
Seit 2020 ist die Finanzierung der vertraulichen Spurensicherung nach sexualisierter und körperlicher Gewalt als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen über das Masernschutzgesetz rechtlich verankert. Die vertrauliche Spurensicherung soll auch finanziert werden, wenn Betroffene keine polizeiliche Anzeige erstattet haben. Sie umfasst Dokumentation, Laboruntersuchungen und Aufbewahrung der Befunde. Eine Umsetzung des Gesetzes fehlt zwei Jahre später immer noch.
Ein weiteres Problem: Leider ist im Gesetz nur die Spurensicherung geregelt. Die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung (MSnV), die in Rheinland Pfalz bereits an vier und bald an 6 Standorten (Mainz, Worms, Koblenz und Trier und ab 2022 Idar-Oberstein und Ludwigshafen) in Zusammenarbeit mit den Kliniken installiert ist, gewährleistet darüber hinaus eine trauma-sensible und umfassende medizinische Versorgung nach einer Vergewaltigung. Das ist genau das, was die Frauen* sich wünschen, wenn sie ein Krankenhaus nach einer erlittenen Vergewaltigung aufsuchen – und genau das wird jedoch nicht finanziert über das Gesetz.
Die Istanbul-Konvention ist geltendes Recht und verpflichtet Deutschland dazu, eine kostenfreie und flächendeckende Akutversorgung nach sexualisierter oder körperlicher Gewalt sicherzustellen, sonst ist die Gesundung von Betroffenen massiv gefährdet.“ Der bff veröffentlicht ein aktuelles Forderungspapier „Versorgungslücken schließen – medizinische Behandlung nach Vergewaltigung sicherstellen“, welches von Beraterinnen aus der Praxis erarbeitet wurde und die medizinische Versorgung nach erlebter Gewalt in den Mittelpunkt stellt.
Begleitet wird die Veröffentlichung des Forderungspapiers durch eine Social-Media Aktion mit Fallgeschichten von Betroffenen. Sie zeigen die massiven Auswirkungen der oft unzulänglichen Strukturen z.B. für Frauen mit Behinderungen oder ohne Krankenversicherung.
Die medizinische, rechtsmedizinische und psychosoziale Versorgung von Betroffenen müssen Hand in Hand gehen. Betroffene von Gewalt brauchen rund-um-die-Uhr gut erreichbare Versorgungsangebote mit einem traumasensiblen, diskriminierungs- und barrierefreien Ansatz. Bei der Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung, die es seit 2020 in Koblenz in Kooperation von Kemperhof und Frauennotruf Koblenz gibt, erhalten Betroffene eine medizinische und psychosoziale Versorgung. Wenn sie sich das wünschen, kann zusätzlich eine Spurensicherung stattfinden. Eine Anzeige ist dafür nicht notwendig. Die gesicherten Spuren werden ein Jahr lang in der Rechtsmedizin aufbewahrt und die Betroffenen können sich in Ruhe überlegen, ob und wann sie Anzeige erstatten wollen. Nicht die Anzeige, sondern das körperliche und seelische Wohlergehen der Betroffenen steht im Vordergrund.